Brigitta Kuster
Brigitta Kuster (Humboldt-Universität zu Berlin)
Zwischen Sorge, Reparatur und Heilen: Kinogefüge
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Das Kino wurde vielfach als Ort beschrieben, an dem man* sich selber durch die Augen einer* anderen sehen kann. Es ist auch der Ort, an dem man* ganz bei sich ist und doch den befremdlichsten und furchterregendsten Dingen ausgesetzt sein kann. Grundlegende (einander widerspiegelnde) Trennungen und Teilungen wie diese dienen als Ausgangspunkt, um darüber zu spekulieren, ob es ein Kino geben könnte, das differentielle Alterität und Sorge bereitstellt; ein Kino, das Pflege, Reparatur, ja vielleicht sogar Heilung erwirkt.
Was und wie im Kino wahrgenommen wird, zeitigt nicht bloß epistemische, sondern auch die Erfahrung betreffende Effekte. Und die tief beunruhigenden Wechselwirkungen zwischen dem, was den Filmbildern geschieht und dem, was den Menschen geschieht, hat insbesondere im Nachgang der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs Erschütterungen hervorgerufen, die auch Siegfried Kracauer untersuchte, etwa im Zuge seines Testfilms, der allerdings nie über den Status des Projekts hinausgelangte.
Gilles Deleuze hat drei Phasen des Nachdenkens über Kino unterschieden, diejenige, die ihr Interesse auf das richtete, was auf dem Bild und hinter ihm zu sehen ist, diejenige, die den Status des Bildes selbst zu erkunden antrat und erörterte, ob der Blick dem standhalten konnte, was er sah. Die dritte Phase fragt ihm zufolge: Wie kann man sich in das Bild einfügen, in es hineinschlüpfen? – Das Nachdenken über Kinogefüge versucht, über die Verkettung von Ursache und Wirkung, von Film und Zuschauer*in hinausgehend ein konstitutives Zusammenspiel ebenso heterogener wie autonomer Ausdrucksformen und Körperregimes in wechselseitiger metastabiler Dynamik zu unterstellen. Ein Kinogefüge affirmiert die Transformierbarkeit und Durchlässigkeit, wie sie auch für die heutige audiovisuelle Medienlandschaft prägend sind. Die Frage, der sich der Vortrag hierbei widmet, lautet: Sind Kinogefüge, die entsprechend jene institutionellen und medialen Rahmungen, die sie ermöglichen, immer fliehen, ein guter Ort für care?
Der Vortrag wird nur als Videostream (Zoom) gehalten. Bitte kontaktieren Sie [fairfax@tfm.uni-frankfurt.de] (mailto:fairfax@tfm.uni-frankfurt.de) per Email, um den Einladungslink zu erhalten.
Brigitta Kuster ist Kulturproduzentin und Kulturwissenschaftlerin. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte sind das dritte, militante, akzentuierte oder kleine Kino sowie das Desiderat neuer radikaler postkinematografischer Gefüge sowie biometrische Grenz- und Identifikationstechnologien an der EU-Außengrenze. Sie arbeitet als Juniorprofessorin für Kulturwissenschaftliche Filmforschung und Gender an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu ihren jüngsten Veröffentlichungen gehören Grenze filmen. Eine kulturwissenschaftliche Analyse audiovisueller Produktionen an den Grenzen Europas (transcript, 2018), Choix d’un passé. Transnationale Vergegenwärtigungen kolonialer Hinterlassenschaften (transversal texts 2016) und die dreibändige, zusammen mit Marie-Hélène Gutberlet herausgegebene Publikation The Cinema of Med Hondo (archive books, 2019/2020).